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Offener Brief zum Schwarzenberggarten in Wien

10.10.18

Offener Brief zum Schwarzenberggarten in Wien

 

Folgender Offener Brief wurde von fast 400 Fachleuten aus dem In- und
Ausland unterzeichnet:

 

 

Das Gesamtkunstwerk Palais Schwarzenberg mit Garten wird in Einzelstücke zerteilt und verbaut

 

Offener Brief

 

Darf man ein einzigartiges Barockensemble von internationaler Bedeutung, gleichbedeutend wie das Belvedere, aufteilen, verbauen und zerstören? Nein! Wir fordern ein Gesamtkonzept für die Erhaltung!

 

Zu den bedeutendsten Gesamtkunstwerken Österreichs zählt das Palais Schwarzenberg mit seiner Gartenanlage. Entworfen und errichtet wurde es als Gesamtentwurf "Gartenanlage mit Sommerpalais" von 1697 bis 1728 durch die berühmtesten österreichischen Architekten dieser Zeit, Johann Lukas von Hildebrandt, Johann Bernhard Fischer von Erlach und Joseph Emanuel Fischer von Erlach sowie unter Beteiligung des Gartenarchitekten Jean Trehet.

 

Das gesamte Areal ist heute vierfach geschützt: Die Gesamtfläche hat seit 1924 die strenge Flächenwidmung als Parkschutzgebiet, ist seit 1974 Teil der "Schutzzone Rennweg" gemäß der Wiener Bauordnung und ist seit 1923 mit dem ersten Denkmalschutzgesetz in allen seinen ober- und unterirdischen baulichen Teilen geschützt. Nicht geschützt ist nach aktueller Gesetzeslage jedoch der heutige Pflanzenbestand, obwohl diese Gartenanlage in die Verfassungsbestimmung des Denkmalschutzgesetzes aufgenommen wurde. Seit 2001 ist das barocke Ensemble auch Teil der Kernzone des UNESCO-Weltkulturerbes "Historisches Zentrum von Wien".

 

Gemeinsam mit der Gesamtanlage Belvedere, dem Garten des Salesianerinnenklosters und dem heutigen Botanischen Garten bildet dieses Areal eine europaweit einmalige Zone hoch- und spätbarocker Freiraumgestaltung. Weiters ist der Schwarzenberggarten einer von nur drei in Österreich noch bestehenden barocken Terrassengärten mit Wasserspielen - die beiden anderen sind der benachbarte Belvederegarten und der Garten von Schloss Hof (Niederösterreich).

 

Nun sind beträchtliche bauliche Eingriffe in das Gesamtgefüge vorgesehen:

 

Die gesamte dritte Ebene des Terrassengartens, auf der der Bierpalast samt Brauerei als touristisches Gastronomieprojekt im Stile des Schweizerhauses im Prater mit 880 Verabreichungsplätzen errichtet werden soll, wurde nun als Betriebsgelände genehmigt.

Das bestehende Tennisclubhaus muss wegen des vorgesehenen Neubaus der Systemgastronomie abgebrochen werden. Ein Ersatzbau des Tennisclubhauses ist im erhaltenen oberen barocken Wasserbecken, mitten im unbebaubaren Parkschutzgebiet ohne den dafür nötigen Bebauungsplan angeblich schon genehmigt.

Seit einigen Monaten ist eine überdimensionale zweigeschossige Tiefgarage im Bereich des Ehrenhofes vor dem Sommerpalais in Bau.

Im Anschluss an einen Seitenflügel des Hauptgebäudes auf der unteren Gartenterrasse im Parkschutzgebiet - an der Grenze zum Belvederegarten - soll anstelle von vor kurzem abgebrochenen Glashäusern ein Neubau entstehen. Damit wird ein Projekt einer Hotelerweiterung wieder aufgegriffen, dem die Stadt seinerzeit im Zuge eines 2009 vorliegenden Gesamtkonzepts als Luxushotel eine Zusage erteilt hat. Nur scheint es zurzeit kein Hotelprojekt und kein Gesamtkonzept für das barocke Gesamtkunstwerk mehr zu geben. Dennoch werden diese großen Einzelbaumaßnahmen genehmigt. Wie passt das zusammen? Wie man eine Hotelwidmung umgeht (möglicherweise über Eigentumswohnungen), zeigt nicht zuletzt das Beispiel "Hotel" am Kahlenberg.

 

Die Gesamtanlage des Schwarzenbergareals aus Bauten und Freiflächen ist ein selten gewordenes Beispiel für ein in seinen barocken Grundzügen und Ausstattungsstücken bis heute bestehendes Gesamtkunstwerk. In Teilbereichen wurde der Garten ab dem späten 18. Jahrhundert zu einem Landschaftsgarten umgewandelt, jede der vier Terrassen enthält jedoch bis heute bedeutende Zeugnisse der hochbarocken Gestaltung.

 

Trotz der großen jahrhundertelangen Bemühungen der Fürstlich Schwarzenbergʼschen Familie, die Bauten und den Garten zu bewahren, fehlt heute ein Gesamtkonzept, und damit ist der Weiterbestand eines der wichtigsten Gesamtkunstwerke Österreichs ernsthaft bedroht. Jahrhundertelang förderte die Familie Schwarzenberg als Eigentümerin die Gartenkunst und Gartenkultur auf ihren Besitzungen: So fand etwa die erste österreichische Blumenausstellung im Jahr 1827 in der Orangerie des Schwarzenberggartens statt. Nach der Behebung schwerer Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg wurde von 1960 bis 2006 ein hochwertiges Hotel betrieben. Dann scheiterten alle Bemühungen der Familienstiftung mittels Investoren das Gesamtareal zu vermarkten. In letzter Zeit wurde begonnen, durch einzelne Baumaßnahmen im Areal Geld zu lukrieren: die Errichtung der Tiefgarage, der projektierte Massengastronomiebetrieb mit dem Betriebsgelände einer Brauerei im Parkschutzgebiet, das neue Tennisclubgebäude ohne Bebauungsplan und die Hotelerweiterung ohne Hotel.

 

Es macht betroffen und es ist inakzeptabel, dass in dieser einzigartigen Kunst- und Kulturstätte durch diese Einzelmaßnahmen Eingriffe erfolgen könnten, die irreversibel wären und das noch erhaltene, in dieser Form einmalige Gesamtkunstwerk zerstören.

 

Wir appellieren mit diesem Offenen Brief an die Eigentümer, an die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, des Landes und der Stadt Wien, der großen Bedeutung dieses barocken Ensembles und dessen internationalen Stellenwertes entsprechend zu handeln, bevor es zu spät ist und die Anlage unwiederbringlich zerstückelt und zerstört ist. Die Bauvorhaben sind zurückzustellen und ein internationales Fachgremium ist beratend beizuziehen. Es ist nicht erst 5 vor 12, die volle Stunde hat geschlagen!

 

Wien im August 2018

 

 

Initiatoren:

 

o. Prof. Arch. Dipl.-Ing. Maria Auböck, Wien

 

ao. Univ. Prof. Dr. Eva Berger, Wien

 

Arch. Dipl.-Ing. Ralf Bock, Wien

 

 

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