Titelbild Österreichische Gesellschaft für historische Gärten
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Gärten im österreichischen Denkmalschutzgesetz

 

Die Idee des Denkmalschutzes für historische Grünanlagen (Gärten und Parks, etc.) war im 19. Jahrhundert nicht thematisiert, auch wenn man versucht hat, die berühmtesten Anlagen nach vagen wissenschaftlichen Vorstellungen entsprechend der Einheit von Bauwerk und Umfeld "stylecht" wiederherzustellen. Es war nicht einfach zu begreifen, dass auch die Vegetationsgestaltung ebenso wie die architektonische Formgebung der Bauwerke den Gesetzmäßigkeiten der unterschiedlichen kulturellen Epochen unterworfen war. Dass eben in einem Renaissancegarten die Natur ganz anders gesehen wurde als in einem englischen Park. Die Geschichtlichkeit eines Gartens konnte auch wegen der stärkeren Kurzlebigkeit der Pflanzen nicht so klar bewahrt bleiben, wie die relative Langlebigkeit der Baumaterialen. Man empfindet heute noch die erhaltenen Treppenanlagen, Umfassungsmauern, Wasserkanäle und Teiche, Skulpturen und Staffagebauten in einem Garten "authentischer" als die Rasenflächen, Hecken, Sträucher, Baumalleen oder Blumenarrangements, die in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen, wenn man den originalen Charakter aus dem 16., 17., 18., 19. oder 20. Jahrhundert bewahren, stärken oder wiederherstellen möchte. (Allein bei den alten Bäumen oder Hecken ist die Situation anders: ihre Wertigkeit wird heute schon auch dann geschätzt, wenn sie den Rahmen einer bestimmten Parkschöpfung aus einer konkret definierbaren Epoche sprengen, wie z. B. die große Platane im architektonisch "gebändigten" Volksgarten in Wien).

 

So kann man die historischen Gärten weder auf ihre pflanzliche Seite, noch auf ihren baulichen Bestand reduzieren! Die Symbiose dieser beiden Faktoren ist der Park, der Garten oder die Kulturlandschaft. Wie man diese Symbiose denkmalpflegerisch methodisch einwandfrei behandeln kann, darüber gibt es bis heute Diskussionen; aber diese für die Zukunft zu erhalten, daran besteht heute in Europa kein Zweifel.

 

Die Wertigkeit von kulturellen und historischen "Ensembles" (also Gesamtheiten) hat man erst um 1900 parallel mit der Heimatschutzbewegung erkannt und die ausschließlich auf Einzelobjekte bezogenen Restaurierungsmethoden aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr befriedigend empfunden. Der Begriff des "gewachsenen" Denkmals (der nicht mehr nur zeitlich, sondern auch räumlich verstanden wurde) trat an die Stelle des stilistisch "purifizierten" (also in einen "reinen" Originalzustand oft willkürlich zurückgebauten) Denkmals. Die heftigen Kontroversen wegen der denkmalpflegerischen Behandlung des Westportals am Wiener Stephansdom nach 1900 sind hinlänglich bekannt: Alois Riegl (der Begründer der modernen Denkmaltheorie und Generalkonservator in Österreich) wollte die Abtragung des gotischen Portals vor der romanischen Fassade nicht mehr dulden, denn dieses war für ihn ebenso ein Zeuge der geschichtlichen Entwicklung wie die noch erhaltenen Werke der "ursprünglichen" Ideen ... Max Dvorák (der Nachfolger von Riegl als Generalkonservator) vertrat diese grundlegende Veränderung der Denkmaltheorie, als der statische und mit ästhetischen Idealvorstellungen belastete Denkmalbegriff komplexer gesehen und dynamisch verändert wurde.

 

Kein Zufall ist es, dass gerade Dvorák um 1910 eine Vorlesung und einen Vortrag den Fragen der Gartenkunst widmete und ihre Ebenbürtigkeit mit anderen historischen Kunstgattungen anerkannte. Der historische Garten war ein in vielfacher Hinsicht "gewachsenes" - also mehrschichtigen Veränderungen ständig ausgesetztes und mehrere Epochen zum Ausdruck bringendes - Denkmal und musste als solches endlich akzeptiert werden. Der "ursprüngliche" Zustand eines Gartens ist - bedingt durch die Vegetationsbestände - noch schwerer definierbar als bei Bauwerken; die Fragen und Möglichkeiten der Wiederherstellung daher noch wesentlich komplexer. Aber die Denkmalexistenzwürdigkeit der historischen Grünanlagen wurde seit Dvorák nicht mehr in Frage gestellt.

 

Nach Dvoráks Tod (1921) wurde ein langjähriger Traum verwirklicht: Österreich bekam 1923 sein erstes Bundesgesetz für Denkmalschutz. Hier wurde nicht denkmalgattungsmäßig unterschieden. Es war egal, ob es sich um ein Bürgerhaus, eine Kirche oder ein Schloss handelte; jeder Gegenstand  konnte zum Denkmal deklariert werden, wenn er eine geschichtliche, künstlerische oder kulturelle "Bedeutung" hatte. Die Gärten wurden nicht extra erwähnt, weil ihre komplexe Materialität (pflanzliche und bauliche, lebende und tote Bestandteile) prinzipiell kein besonderes Problem bedeutet hatte.

 

So konnten schon vor 1926 der historische Park des Palais Thurn und Taxis in Bregenz und auch Teile des Wiener Augartens ohne weiteres unter Denkmalschutz gestellt werden. Bis 1945 häufig, aber auch danach vereinzelt, wurden noch zahlreiche Gärten verwaltungsrechtlich (bis heute gültig!) in das Denkmalschutzrecht selbstverständlich miteinbezogen. Diese Unterschutzstellungen wurden bei der Vorbereitung einer Novelle in den 1990er-Jahren leider nicht beachtet.

 

Erst 1964 wurde in einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes völlig unerwartet festgestellt, dass "Felder, Alleen und Parkanlagen" nicht in den Kompetenzbereich des Denkmalschutzes fallen, weil in ihrem Zustandekommen die Natur einen wesentlicheren Anteil hat als die Kunst oder Kultur. Dazu muss man wissen, dass in Österreich Denkmalschutz Bundessache, Naturschutz aber Sache der Länder ist. Dieses von Missverständnissen strotzende Urteil hat das Bundesdenkmalamt jahrzehntelang gehindert, diese Denkmalgattung zeitgemäß und entsprechend den kulturellen Bedürfnissen der Öffentlichkeit fachlich zu betreuen. Die juristische Absicht war, zwischen Denkmalschutz und Naturschutz eine klare Kompetenzlinie zu ziehen. Der Anlassfall waren nicht die Gärten bzw. Parkanlagen, sondern eine Höhle bei Salzburg mit Spuren einer urzeitlichen Behausung. Die "Felder, Alleen und Parkanlagen" wurden nur in einem Nebensatz quasi als Analogie erwähnt.

 

Mehr als zwanzig Jahre später, 1986, erkannte aber der damalige Präsident des Bundesdenkmalamtes, Gerhard Sailer, dass das Gesetz in diesem Zusammenhang repariert werden sollte. Er gründete ein Referat (später Abteilung) für historische Gartenanlagen, und dieser Institution gelang es bis 1999 mithilfe einer breiten kulturell interessierten Öffentlichkeit die gewünschte Novellierung zustande zu bringen. Da aber dieses - in Europa einzigartig nicht gelöstes - Problem auch dem "Kompetenzkrieg" zwischen dem Bund den Ländern ausgeliefert war, konnte nur ein Teilerfolg erreicht werden. Es mussten die 56 wichtigsten Anlagen (ursprünglich auf Anweisung des zuständigen Ministerium etwa 50) aus ganz Österreich ausgesucht und in einer Verfassungsliste verankert werden, um in diesen Gärten oder Parks einen vollständigen (also sowohl die pflanzlichen als auch die baulichen Bestandteile gleichzeitig betreffenden) Denkmalschutz und Denkmalpflege realisieren zu können. Zusätzlich wurde im Parlament "in letzter Minute" eine Bestimmung eingebracht, wonach im Fall der sich im Privatbesitz befindlichen Anlagen eine Zustimmung des Eigentümers einzuholen ist. In solchen Gärten und Parks, wo Gebietskörperschaften, also der Bund, die Länder oder die Gemeinden Eigentümer sind, ist keine solche Zustimmung notwendig. Das war und ist eine Katastrophe und widerspricht den europäischen Denkmalschutzgesetzen, in denen seit den 1970er-Jahren die historischen Grünanlagen schrittweise "expressis verbis" verankert wurden und in der Folge durch Fachabteilungen betreut sind. Aus den 34 bisher rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellten Gärten und Parks sind fünf im Privateigentum, wo eine Zustimmung freiwillig abgegeben wurde. Als Erfolg ist aber zu verzeichnen, dass das historische Grün seit 1964 erstmals wieder denkmalschutzwürdig erscheint. Es war und ist ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten.

 

Inzwischen sind für viele der unter Schutz stehenden Anlagen Parkpflegewerke ("Gartendenkmalpflegerische Entwicklungskonzepte") ausgearbeitet worden. Sie dienen der Erforschung und kritischen Analyse der historischen Unterlagen von der Entstehungszeit bis zur Gegenwart und der Bestandsaufnahme und -beurteilung. Der Erstellung von Ziel- und Nutzungskonzepten (Wiederherstellung, Konservierung oder eventuelle Rekonstruktion) folgt im Weiteren eine Grobkostenschätzung für die vorgeschlagenen Maßnahmen. Mit diesem Instrument ist es möglich, die Bedeutung der einzelnen Garten- oder Parkanlage klar herauszuarbeiten und für die nächsten Generationen Grundlagen für die Gartendenkmalpflege zur Verfügung zu stellen.

 

Text: © Géza Hajós

 

 

 

 

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