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Vorarlberg: Der Park von Kloster Marienberg / Villa Raczynski in Bregenz

 

 

Vorarlberg

 

Der Park von Kloster Marienberg / Villa Raczynski in Bregenz

 

Am östlichen Stadtrand von Bregenz, im Stadtteil Dorf, liegt die Villa Raczynski mit ihrem Park. Das Areal wird seit 1904 von den Dominikanerinnen als Kloster Marienberg mit angeschlossenem Schulbetrieb betrieben. Der Park aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts vereint Stilelemente des Neo-Rokoko und des Landschaftsgartens und stellt als weitgehend original erhaltene historistische Gartenanlage ein wesentliches Gartendenkmal Vorarlbergs dar.

 

Der äußert wohlhabende, aus polnischem Hochadel stammende Carl Eduard Nalecz Graf Raczynski hatte auf einer Italien-Reise mit seiner Frau Caroline Theresia, einer geborenen Prinzessin von Oettingen-Wallerstein, in Bregenz Station gemacht. Caroline Theresia gefiel Bregenz so gut, dass der Graf sich entschloss, dort ein Anwesen zu erwerben. Er kaufte zwei am Nordwestabhang des Gebhardsberges gelegene Gutshöfe und ließ auf dem etwa sechs Hektar großen Areal ab 1874 durch den Prager Landschaftsarchitekten Barton einen Park anlegen. In dessen Zentrum errichtete der Architekt Stefan Tragl von 1875 bis 1877 eine Neo-Rokoko-Villa im Stil Ludwigs XV. mit Blick auf den Bodensee. Nach ihrer Fertigstellung schenkte sie Graf Raczynski 1878 seiner Frau zum 47. Geburtstag.

 

Der Park zeichnet sich durch die für historistische Parkanlagen typische Kombination geometrisch-formaler und landschaftlicher Elemente aus. Auf dem Hang vor der reich ausgestatteten Villa, der zur Bregenzer Bucht des Bodensees abfällt, legte Barton ein formales Parterre an. Das ebenfalls im Stil des Neo-Rokokos gehaltene Parterre besteht aus vier, heute als Rasenfelder ausgebildeten Beetfeldern, die um ein zentrales Vierpass-Brunnenbecken angeordnet sind. Von der mosaikgeschmückten und mit einer Balustrade gefassten Terrasse der Villa gelangt man über eine ebenfalls balustradengefasste Freitreppe auf das leicht abfallende Parterre. Auch die übrigen achsialen Zugänge zum Parterre sind durch gleichartige Treppen geschmückt. Die Pfeiler der Balustrade der Terrasse und die der Treppen tragen insgesamt 20 steinfarbene Tonvasen. Die Ränder des Parterres werden von Rosenbögen gefasst.

 

Ausgehend vom Parterre ist der restliche Teil des Parks landschaftlich gestaltet und weist unter den zahlreichen Solitärgehölzen besonders exotische Nadelbäume wie etwa den Hiba-Lebensbaum, die Nootka-Scheinzypresse und den Riesenmammutbaum als dendrologische Besonderheiten auf.

 

Die westlich und nördlich zum Bodensee hin orientierten Parkteile wurden als offene, gehölzgesäumte Wiesenflächen mit einzelnen Solitärgehölzen gestaltet, um den malerischen Blick auf den See freizugeben. Der östlich der Villa und des Rückgebäudes gelegen Teil leitet als geschlossener, von einem engmaschigen, fast irrgartenartigen Wegenetz durchzogenem Gehölzbestand zum anschließenden Wald des Gebhardsberges über.

 

Neben der Villa wurden im Park auch zahlreiche Nebengebäude errichtet. Hinter der Villa wurde ein mit dieser durch einen gedeckten Gang verbundenes, sogenanntes Rückgebäude zur Unterbringung der Gästezimmer, der Küche und der Personalräume errichtet. Nördlich der Villa erbaute der Bregenzer Architekt Romed Wacker 1880 bis 1881 das "Casino", das einen Billard-Salon und eine Kegelbahn enthielt. An der nordwestlichen Parkgrenze wurde der Ökonomiehof angelegt, der ein Gartenhaus, Stallungen, Magazin, Schuppen und Eiskeller umfasste. Südlich der Ökonomie und nordwestlich des Haupteinganges mit dem Pförtnerhaus legte man die Gärtnerei mit einem großen zweiflügeligen Glashaus und einem Mittelpavillon als Gärtnerwohnung an. An der nordöstlichen Parkgrenze befand sich noch ein Hühnerhof.

 

Durch 20 Jahre hindurch wurde das Anwesen als Sommer-Wohnsitz des gräflichen Paares genutzt, das mit einer 60-köpfigen Dienerschaft eine aufwendige Hofhaltung pflegte. Bei zahlreichen Empfängen für Gäste aus dem europäischen Hochadel wurden auch Konzerte, Theater- und Oper-Aufführungen gegeben.

 

1898 erlag die Gräfin einem Herzschlag und der Graf verließ Bregenz. Im Jahr darauf verstarb auch er. Sein Neffe und Adoptivsohn Eduard Graf Nalecz-Raczynski erbte das Anwesen, hatte aber keine Verwendung dafür. Nachdem sich über einige Zeit keine Kaufinteressenten fanden, wurde das Anwesen 1904 versteigert. Den Zuschlag erhielt der Konvent der Dominikanerinnen aus dem nicht ganz vier Kilometer südlich gelegenen Kloster Lauterach, das dort auch eine Mädchenschule unterhielt. Noch im gleichen Jahr wurde das Kloster von Lauterach in das Rückgebäude der Villa Raczynski verlegt und in der Villa die Schule mit Internat eingerichtet.

 

1907 wurde das Casino zur Kapelle umgestaltet und das Rückgebäude zur Vergrößerung des Konvents nordseitig um einen Zubau gleicher Größe erweitert, der aufgrund einer Figur des Hl. Josef in der Giebelnische als Josefsbau bezeichnet wurde. Nach einer aus Lauterach mitgebrachten und in einer Gartenmauernische aufgestellten Marienstatue benannte man die Anlage nun Marienberg.

 

Die Gartenanlagen wurden weiter gepflegt und in ihrer ursprünglichen Gestaltung beibehalten. Lediglich am westlichen Parkrand - zwischen Ökonomie und Gärtnerei - legte man einen kleinen Klosterfriedhof an.

 

Während des Zweiten Weltkriegs wurden auf dem Areal Lazarette eingerichtet. Nach Kriegsende nutzten die französischen Besatzungstruppen die Anlage kurzfristig als Mütter- und Kinderheim. 1946 wurde Marienberg den Dominikanerinnen zurückgegeben.

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde zunächst zwischen Ökonomie und Gärtnerei ein neues Internatsgebäude errichtet und in der Folge die Gebäude der Ökonomie schrittweise durch weitere Schul- und Internatsbauten ersetzt, während die übrigen Teile des Parks mit Ausnahme des Einbaus eines Tennisplatzes im nördlichen Parkteil unverändert blieben. Der Pflegeaufwand wurde jedoch reduziert. Der natürliche Aufwuchs verunklärte zunehmend die Parkstruktur. Die Treppen, Balustraden und das Brunnenbecken des Parterres befanden sich, ebenso wie die Villa selbst, in baulich schlechtem Zustand. Die Tonvasen waren abgekommen, die Rosenbögen waren entfernt worden.

 

Ab 1976 wurden die Villa samt der Terrasse, die Nebengebäude und die Baulichkeiten des Parterres in insgesamt über zwanzigjähriger Bauzeit restauriert und renoviert.

 

1991/1992 wurde auch für den Park ein Pflegekonzept im Auftrag des Bundesdenkmalamtes durch Franz und Edit Bódi erstellt. In dessen Folge wurden Auslichtungs- und Schnittmaßnahmen an den Gehölzbeständen des Parks und der Allee zwischen Villa und der ehemaligen Ökonomie, dem heutigen Schulbereich, durchgeführt. Die den Auffahrtsweg vom Pförtnerhaus zur Villa begleitende Allee pflanzte man neu. Auch die Pflanzungen und Wegedecken des Parterres wurden erneuert und neue Rosenbögen gezogen. Die Tonvasen der Balustradenpfeiler stellte man nach historischen Vorlagen wieder her.

 

Die Gärtnerei war mit Ausnahme des stillgelegten, aber erhaltenen Glashauses bis Ende des 20. Jahrhunderts von einem Gärtner bewirtschaftet worden. Mit seiner Pensionierung wurden die Kulturbeete durch eine Rasenfläche ersetzt.

 

Der seit seiner Anlegung nur wenig veränderte Park gibt durch die Pflegemaßnahmen der letzten Jahrzehnte heute wieder weitgehend den ursprünglichen Eindruck seiner Entstehungszeit wieder. In seiner Mischung aus formalen Neo-Rokoko- und landschaftlichen Elementen stellt er damit ein typologisch anschauliches  Beispiel historistischer Gartengestaltung dar, die in anderen Anlagen oft verloren gegangen ist. Aufgrund seiner guten Erhaltung und der rezenten Restaurierungsmaßnahmen ist er darüber hinaus ein gelungenes und vorbildgebendes Beispiel erfolgreicher Gartendenkmalpflege privater Anlagen.

 

Villa, Nebengebäude und Park befinden sich im Eigentum des Dominikanerkonvents Marienberg. Die Villa wird als Seminarhaus mit Veranstaltungs- und Gästeräumen betrieben und kann für Veranstaltungen gemietet werden. Die Schule im ehemaligen Ökonomiehof wird als private, konfessionelle Mädchenschule in vier Schulzweigen (einjährige Wirtschaftsfachschule EWF, Fachschule für wirtschaftliche Berufe FW, Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe HLW und als Aufbaulehrgang für wirtschaftliche Berufe AuL) betrieben. Villa und Park sind im Rahmen von Schul- oder Seminarhausveranstaltungen eingeschränkt zugänglich.

 

 

 

Text: © Thomas Baumgartner

Photo: © böhringer friedrich / Wikimedia CC BY-SA 2.5

 

 

 

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